Ostergeschichte: Metapher für die Corona-Krise?

Ja, es ist schon ein Kreuz mit diesem Covid-19. Just während der grössten Globalisierungs-Party der Giganten taucht er auf, der kleine Käfer, und bringt die Welt ins strudeln. David besiegt Goliath, Gretas Rache oder Gottes Zorn? Letzterer lädt ein, als Metapher hinzuhalten. Nicht aus religiöser Absicht, nein. Die Ostergeschichte bietet einfach interessante Parallelen zur Krise. Ziemlich genau am Aschermittwoch, Ende Februar wurden die ersten Grossveranstaltungen abgesagt. Die meisten Fasnächtler durften vorher noch feiern, was das Zeug hielt. Die Basler Fasnacht fand nicht statt. Die Fastenzeit begann, und mit ihr zog sich die Virus-Schlinge langsam enger und enger zusammen. Mitte März dann der "Lockdown".

"Lockdown"-Woche 1: Die Schockstarre! Läden schliessen, keine Hände mehr schütteln, Hygienevorschriften umsetzen, Körperkontakt vermeiden, keine Freunde mehr treffen.
"Lockdown"-Woche 2: Home-Office organisieren, IT-Dienstleister mit Cloud-Aufträgen heiss laufen lassen. Leute nach Hause schicken, Toilettenpapier hamstern und Hefe bunkern.
"Lockdown"-Woche 3: Telcos und Videochats statt physische Meetings. Blogs, Online-Shops, -Kurse und Webinar-Anbieter überfluten die Mailboxen und locken zu sinnlosem Zeitvertreib, Hyperaktivismus macht sich breit. Die Musikszene erfindet sich neu mit Streaming-Konzerten. Online-Shops und Heimlieferdienst-Portale schiessen wie Pilze aus dem Boden. Als ob es all dies nicht längst schon gäbe. Und dann die saublöd-stereotypen "Wir sind für Sie da"-Mailversände und Social Media-Posts. Wart ihr das denn vorher nicht? Besser wäre der Beizug eines guten Kommunikationsprofis gewesen, sinnvolle Botschaften zu generieren, anstatt fremde Mails abzukupfern. Natürlich sind wir alle da, mehr denn je. Länger, denn je. Denn die Arbeits- und Freizeit vermischt sich aufgrund nicht festgelegter Arbeitszeiten und teils fehlenden Tagesstrukturen zunehmend. Ein lösbares, aber eben noch zu lösendes Problem, welches Home Office und Kurzarbeit mit sich bringen. Jetzt sind Selbstdisziplin und gesunder Menschenverstand gefragt.

Und nun? Am hohen Donnerstag oder Gründonnerstag, 9. April, kurz vor Ostern verkünden BAG und Bundesrat die erste frohe Botschaft: Der Peak sei erreicht, Spitaleinlieferungen von Corona-Patienten seinen rückläufig. Eine Lockerungen und ein Ende des Notstandes absehbar, wenn auch erst auf Ende April.

Doch zuvor wird es nochmals schlimmer. Die Zahl der Todesopfer soll in den nächsten Wochen noch um mehr als 50 Prozent steigen. Opferlämmer? Leider ja; Karfreitag lässt grüssen. Jesus ist Sinnbild für all die Menschen, die durch Corona ihr Leben verloren haben und noch verlieren werden.

Und doch, am Sonntag ist Ostern, und die Hoffnung der Menschen auf eine Auferstehung der Normalität wird absichtlich genährt durch positive offizielle Botschaften. Daniel Koch als neuer Messias, der das Heil(en) der Welt verkündet? Die Rolle passt, auch wenn er – zum Glück – nicht selbst zum Opferlamm geworden ist. Sein ruhiges, bedachtes Erscheinen und seine klare Kommunikation erzeugen wahre Wunder. Wär hätte gedacht, dass unser ach so freidenkerisch-unabhängiges Volk in Demut gehorcht und viele Menschen dank ihm zur Vernunft gekommen sind. Eine kleine Wunde hat es in dennoch gekostet – Kopf angeschlagen – wohl aus Übermüdung, bei solchen Tagespensen.

Bleiben wir doch noch ein wenig bei den Rollen.

Die guten Bürger: Das Volk, das mehrheitlich folgsam in Quarantäne verharrt. Es gibt die Selbständigerwerbenden, wie Freelancer, Künstler und Freischaffende, Kleinunternehmen, wie die Event-, Tourismus- und Gastronomie-Anbieter, die als Erste hohe Restriktionen, ja den Totalausfall ihres Erwerbs auf sich nehmen mussten. Es gibt KMU und auch Grossunternehmen, die ihre Mitarbeitenden mit Kurzarbeit vor Entlassungen schützen wollen und sich mit Überbrückungskrediten auf Jahre hinaus verschulden werden. Sie alle hoffen auf ein baldiges Wunder.

Da sind die Judasse: Profitöre, die massenhaft Leute entlassen unter Vorwand von Corona oder die in der Selbstquarantäne vieler Risikogruppen Chancen wittern, Geschäfte zu machen, mit scheinbar selbstloser Unterstützung durch allerlei Dienstleistungen. 

Dann gibt es die Rolle des Petrus, der dreimal seine Jüngerschaft verleugnete. Bei uns sind es wohl eher die Petrusse, machtgewohnte grosse Jungs wie Trump, Lukaschenka und Johnson, die den Virus viel zu lange negiert haben und das Resultat in verschiedener Form nun am eigenen Leib erfahren.

Dagegen die guten Apostel: Unsere Bundesräte – allen voran Alain Berset –, die aktuell Tag für Tag Entscheidungen zum Wohle Aller fällen, dafür Verantwortung tragen und dabei einen kühlen Kopf bewahren.

Bund und Kantone: Die Ordnungshüter, die sich alle Mühe geben, die Schweiz durch diese aufreibenden Zeiten zu manövrieren. Vergleichbar vielleicht mit der Römischen Verwaltung unter Pontius Pilatus. Damals eigentlich keine schlechten Herrscher, die damals im Falle der Ostergeschichte in grossem Machtkampf mit den fundamentalistischen Pharisäern lagen. Heute macht der immer als ach so träg diffamierte Verwaltungsapparat einen vorbildlichen Job für die Einhaltung der Corona-Vorgaben, Kurzarbeitsbewilligung und vieles mehr. Bin gespannt, wie die Abrechnung der Kurzarbeits-Stundenrapporte für Tausende Schweizer KMU in den nächsten Monaten ablaufen wird. Sie sind nicht zu beneiden.

Unser Gesundheits- und Pflegepersonal, die privat organisierten Heimlieferdienste, Helfer in der Not, Militär und Zivilschutz, das Personal an den Einkaufskassen: Sie sind die Maria Magdalena der Ostergeschichte. Menschen, die sich direkt einsetzen für das Wohl der Bedürftigen, sich täglich in Gefahr bringen, infisziert zu werden von unvorsichtigen, leichtsinnigen ja teilweise ignoranten Mitmenschen. Menschen, die weit über normale Arbeitszeiten hinaus dem Gemeinsinn dienen. Ihnen sei der grösste Dank ausgesprochen!

Und zum Abschluss die Rolle der Mutter Maria: Ich wage sinnbildlich den Vergleich zu Mutter Erde, deren Kind "Mensch" in der Adoleszenz aus ihren behütenden Armen ausgerissen ist, die Welt zu erobern. Zielstrebig, ambitioniert, aber auch naiv, mit jugendlichem Leichtsinn, kennt er keine Grenzen und nutzt jede Gelegenheit zu seinem Vorteil. Die Mutter beobachtet, hält den Mahnfinger hoch, wird belächelt, nicht beachtet. Bis zum Moment, wo Mensch sich mit seinem Tun in arge Bedrängnis manövriert. Und wieder ist es die Mutter Erde, die – dank dem Lockdown für einen ganz kleinen Moment zur ökologischen Ruhe gekommen – uns in diesen Tagen sanft aufnimmt und draussen in der Natur Kraft spendet, die "physical distance" auszuhalten. Keine Ferien in Dubai und Südamerika mit dem Flieger, dafür den Frühling geniessen dürfen im heimischen Wald. 

So geht die Fastenzeit heute am Karfreitag zu Ende. Sonnig-warme Ostertage erwarten uns mit aufgezwungener Musse. Es empfiehlt sich, zur Ruhe zu kommen, in sich zu gehen in diesen Tagen, um Resilienz aufzubauen, statt sich der ewigen Prokrastination hinzugeben. Gute Gespräche führen mit lieben Menschen, Familie, Freunde, Nachbarn; über den Balkon, die Strassenseite, die Gartenhecke hinweg; per WhatsApp, Skype oder Facetime. Sich gegenseitig ermutigen und Freude bereiten. Soziale Nähe bei physischer Distanz ist das Credo!

Wie geht es weiter? Wie erleben wir die Tage zwischen Ostern und der langsamen Lockerung ab Ende April und weit darüber hinaus. Was kommunizieren wir, wenn die Osterhasen verkauft, die Lieferdienste und Online-Shops abgefüllt und die Webinare gefüllt sind. Nach Ostern werden noch mehr Unternehmen keine Arbeit mehr haben, Kurzarbeit anmelden. Wie leben wir ohne den ständigen Lärm und die Geschäftigkeit um uns herum? Und was hat das mit der Ostergeschichte zu tun? Dies wird Thema des nächsten Blogs.

Frohe Ostern und bleibt gesund!

Ostergeschichte: Metapher für die Corona-Krise?
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